Vor einigen Tagen wurde ich unschön angepinkelt, mit der Meinung, ich würde unserer Zeit nicht gerecht werden, die doch solch ungeheuren Reichtum an Schöpferkraft mit sich brächte, in Form von Technik. Und es sei nur allzu angebracht, dieses mein Credo gegen die MIDITECHNIK (zu finden in https://www.youtube.com/watch?v=QQy-5Zn28g8) zu überdenken. Buße zu tun und in den mainstream einzuschwenken, „alles ist in Ordnung, außer vielleicht Putin“. Nun, ich habe hier mit einigen Worten meine Erfahrungen der letzten zehn Jahre zum Thema niedergelegt. Und ich war und bin, so absurd das auch klingen mag, als totaler Computerfreak, entschiedener Gegner jener Anbetungszeremonien um Technik und Wissenschaft, weil ich den Büchern Günther Anders „Die Antiquiertheit des Menschen“ Band I und Band II, mehr Glauben schenke, als dem ganzen Heer heutiger Scientisten.
Meine Erfahrungen sind recht einfach: Information und Technik ja, aber nur in dem schallgedämpften Raum des Gelderwerbs und der Spielschulden, nicht aber im ästhetischen, künstlerischen, musikalischen Wirkungsbereich. Musik und Kunst sind Räume des Glaubens und der höchsten Lebensformen: hier ist kein Raum für robots. Hier meine stichwortartigen Argumente:
1. Tonaufnahmen sind Abbildungen von geschehenen Konzerten oder anderen Darbietungen, bei denen in der Regel mit naturtonerzeugten Klängen Musik dargeboten wird. Kein Mensch würde auf die Idee kommen die Abbildung einer Landschaft mit dieser gleichzusetzen. Bei Musikaufnahmen geschieht dies aus dem ganz einfachen Grunde, weil überwiegend „recordings“ konsumiert werden, ohne überhaupt noch „die Landschaft“, nämlich das Naturtoninstrument zur Kenntnis zu nehmen. Ein Grundfehlverhalten unserer Konsumgesellschaft.
2. Bei der Vorführung einer Midiaufnahme sitze ich zwar noch vor „der Landschaft“, aber über der dargestellten Musik wird der Schleier eines Rasters gelegt, das genau festlegt, wieviel Zeit jede Note beanspruchen darf. Eine groteskere Verulkung von Musik gibt es nicht. Denn gerade das menschliche-organische Maß wird hier ad-absurdum geführt.
3. Musik geschieht indem man musiziert. Wie oben schon gesagt, hat unsere Gesellschaft ein Problem, indem sie Konsumieren mit Aktivismus gleichsetzt. Das funktioniert in der Kunst nicht. Hier nämlich ist Kreativität gefragt. Das darf sich zeitweilig an Technik, Virtuosität usw. erfreuen, in der Regel aber meint Kreativität das tiefere Eindringen in den ästhetischen Gegenstand. Nur Kulturen, die auf diesem Feld Großes geleistet haben, erfreuen uns heute noch mit Ihrer Kunst. Über die Technik des 19.JH lachen wir uns heute eher halbtot, während alle Kunst der Romantik uns immer noch tief beseelen und erleuchten kann. Und wie können wir lachen über ein 10-Jahre altes computergeneriertes Musikstück.
4. Maschinen sind dazu da, dem Menschen über einen begrenzten Zeitraum Hilfestellung zu leisten. Das geschieht meist dort, wo stupide oder kraftzehrende Arbeit geleistet werden muss. Auch wo höchste Präzision von Nöten ist oder Rechenleistungen benötigt werden, die der Mensch als organisches und emotionales Wesen kaum bewerkstelligen kann. Als Schachspieler ist mir seit zwanzig Jahren klar, dass der Computer unschlagbar gut in der Berechnung von Varianten ist. Aber in allen Bereichen der Ästhetik hat die Rechenmaschine total versagt auf allen Ebenen. In zwanzig Jahren redet kein Mensch mehr von Photoshopkunst oder gar von computeranimierter Musik. Die Hässlichkeit, die Elektroneninstrumente und Computer hier eingebracht haben, und die zur Flachköpfigkeit in Kirchen und Musiksälen geführt haben, ist bester Zeuge dafür, dass ein radikaler Wandel hier unerbittlich eintreten wird.
5. Ich erinnere daran, dass alle großen Komponisten der 2.Hälfte des 20.JH mit elektronischen Klängen experimentiert haben, aber keiner (von Stockhausen bis Ligeti) hat es lange damit ausgehalten. Seitdem alle Welt mit dem Computer komponieren will, haben wir nur noch mainstream-Zeugs, dessen Banalität man nicht lange aushalten kann.
6. Die Orgel ist das größte Instrument und das dringend auf technische Entwicklungen angewiesen ist. Man sollte allerdings nicht den Fehler machen, alle Entwicklung nur noch unter technischen Gesichtspunkten zu sehen. Ich habe vor zehn Jahren einen ganzen Katalog an Vorstellungen eingebracht, welche klanglichen Entwicklungen der Orgel gut täten. Denn schließlich ist die Orgel auch das einzige klassische Instrument, das sich immer weiter entwickelt hat. Was uns aber fehlt sind Künstler, die Ansprüche an die Orgel stellen.
Die Zeit heute ist nicht reif für Weiterentwicklungen in der Kunst. Das wird sich ändern. Ich werde das vielleicht nicht mehr erleben. In jedem Falle wird es eine Kunst jenseits von Technik und Wissenschaft sein – Gott sei Dank. gwm Nov2014
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