Kierkegaards Resignation

Gleich vorneweg, hier spricht kein Kierkegaard-Kenner, auch keine von Glaubenskraft gestählte Person redetet hier. Sogar eher ein Zweifler und Skeptiker kommt zum Vorschein.
Ein Ästhet, ein Romantiker, der sich im Garten Epikurs verirrt hat, und der hier einen einzigen Menschen gefunden hat, einen Gläubigen, der nicht »Glauben machen wollte«, weil er das Verhängnis der Ideologen, die sich im Kreuzgang bestens auskennen, selbst gut kannte.
Nur eines sei gewiss, es redet einer im Selbstgespräch, um seinem Weg eine Richtung zu geben, nicht um andere hinzuweisen. Es soll ein Selbstwerdungsprozess sein.
Also keine Predigt findet statt, sondern einen Versuch Kraft zu finden für ein ungeheures Vorhaben.
»Wer nicht arbeiten will, der gebärt Wind…«, sagt Kierkegaard und meint unter Arbeit nicht das belanglose Abspulen eines Achtstundentags, sondern er meint geistige Arbeit, das tiefe Eindringen in ein Wissen, das mehr ist, als die Ansammlung von Fakten. Seine drei grundlegenden Existenzformen, »Ästhet, Ethiker, Glaubender«, hier gleich vereinfacht dargestellt, wie es sich entwickeln könnte, hat er selbst durchlebt.
Lassen Sie mich gleich einwerfen, dass ich beim Gros der Kirchgänger überhaupt keine Existenzform vorfinde, genauso wenig bei überzeugten Demokraten oder Museums-und Konzertbesucher.
Denn kaum einer hat sich je dieser Frage »wie will ich sein?« gestellt.
Sich den Umständen ergeben, den bequemen Weg an der Leitschnur ablaufen, dem mainstream folgen und keinerlei Reflexionen betreiben, all die Mahnungen die das Leben und der Traum ihnen zuruft: »Entscheide dich!« und standhaft ignorieren, sind Zeichen tiefster Verzweiflung, welche Ästhetik, Ethik oder Glauben eher in eine Form von Drogenkonsum rücken, als dass wir hier die kierkegaardsche »Arbeit« am Werk sehen, die in eine Existenzform führen könnte. Kierkegaard nennt sie »die Sitzengebliebenen, die nicht zum Tanze kommen.«
Kierkegaard hat in seiner Schrift »Furcht und Zittern«, dessen Titel abweisend sein sollte, denn er wünschte sich, wie Nietzsche auch, keine Jünger, die über seine Schriften schwätzen (wie hier nun leider geschehen), sondern existentiell Handelnde. Das heißt, »wer den ersten Spatenstich nicht gemacht hat, der hat kein Recht mitzureden.« Und dieses Eintreten ins kierkegaardsche Erdreich ist die »Resignation«.
Ein Begriff, den wir erst nach heftiger Lesearbeit kapieren. Es könnte auch Verzicht heißen, aber es ist mehr.
Das Bild des Gegenstandes, auf den wir verzichten, soll lebendig bleiben, die Flamme darf nicht erstickt werden. Die Liebe zu dem verzichteten Gegenstand soll erhalten bleiben und in dem Moment des Verzichts in uns verewigt werden.
Der Mensch hebt sich aus der Zeitlichkeit heraus, »denn wer unendlich resigniert hat, der ist sich selbst genug..« das ist die kierkegaardsche Resignation.
Hier herrschen Friede und Ruhe wie auf der böcklinschen Insel, und es riecht nach Efeu, Zypressen, Meerwasser. Ein letzter Strahl der untergehenden Sonne streift das weiße Gewand des Rituals. Hier noch ein letztes Mal Ästhetik.
Und dann hören wir »Die unendliche Resignation ist das letzte Stadium das dem Glauben voraus geht.«
Ebendiese Arbeit des Verzichts, der Bewahrung, der Liebe, muss also geschehen, sie muss endgültig eine scharfe Trennung von Zeit und Unendlichkeit bewirken, bevor ich glauben kann.
Die Bewusstwerdung einer ewigen Gültigkeit muss vor dem Glauben stehen. An dieser Erkenntnis zu arbeiten ist der erste Schritt in eine tiefere Existenzform vorzudringen – und erst dann kann die Rede davon sein, kraft des Glaubens das Dasein zu ergreifen.
Dieses Habhaft werden des Glaubens stellt das Paradoxon des Daseins dar.
Wir sehen also, dass »Glauben« bei Kierkegaard geistige Arbeit voraussetzt, die von Kraft und Willen geprägt sind und die oberste und ausschließliche Priorität besitzt.
Die Voraussetzungen von Glauben sind hier schon so bedingungslos gesetzt, dass die Chance den Glauben ergreifen zu können, das Absurde das mit dem Glauben verwoben ist, nur unter konzentrierter Kraft ermöglicht wird.
Das Auslassen aller Nebenkriegsschauplätzen, eben der Verzicht, vielleicht sogar eine krude Form der Asketik, lassen den Schluss zu, dass der Weg nicht steiniger sein kann, eine solche Bewusstwerdung durchzustehen. Es gibt hier jedoch keine halben Wege.
Aber »der, wer Glauben hat, wie ein Senfkorn, Berge versetzen kann,« darf eben nicht mit einem Bündel Kompromissen sich auf den Weg machen.
Kierkegaards höchste Existenzform, der unbedingte Glaube zu Gott, die einzige Verantwortung gegenüber Gott, kommt auch in der hier besprochenen Schrift »Furcht und Zittern« zur Sprache in dem Gleichnis von Abraham und Isaak. Der Vater ist bereit den Sohn zu opfern im unbedingten Glauben an Gott.
Wir sehen an diesem Beispiel, dass dem Glauben die unbedingte Resignation vorausgehen muss, weil sonst die Liebe des Vaters zum Sohn den Glauben verhindern würde.
Eine ganz andere Perspektive aus diesem Beispiel und dem »unbedingten Glauben zu Gott« habe ich in der Betrachtung von islamistischen Selbstmordattentätern gewonnen, die sehr wohl eine solche kritische Existenzform erreicht haben, indem sie auf ihr Leben verzichten indem sie vermeinen einem solchen unbedingten Glauben zu besitzen. Denn dieser Glaube, das ist bei Kierkegaard exakt begründet, setzt sich über alle Ethik hinweg.
An diesem Punkt, in der Unbedingtheit des kierkegaardschen Gottglaubens, wird es sehr schwierig sich zu entscheiden.
Ich denke Kierkegaard war sich aller Konsequenz bewusst. Aus diesem Grunde ist genau dieses Thema in seinen Büchern schwer zu fassen.

gewalcker@t-online.de
11.Mai 14

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