Ersatzreligionen

„Wir im Westen sind eingetreten in das Zeitalter eines säkularisierten Polytheismus“, „in der pluralistischen Gesellschaft gibt es viele Götter, viele Wertorientierungen, eine Vielzahl von religiösen und halbreligiösen Sinnbestimmungen. Während die großen Kirchen sich leeren, wächst das Angebot für den religiösen Hobbykeller“. So diagnostiziert Rüdiger Safranski* Kirche und Religion heute. Aber, ob es uns nun passt oder nicht, nach dem Abgang der „Ersatzreligionen Faschismus und Sozialismus“ in Mitteleuropa, haben wir seit dem Dreißigjährigen Krieg ein beständiges Abtriften vom großen mittelalterlichen Einheitsglauben hin zum esoterischen Kegelclub. (Bei Hitler war es noch ein Bierkeller – und es wird mir mehr und mehr unverständlich, wie man diesem vor Ekel triefendem Idioten, mit seinem Wiener Vorstadtdialekt und pausenlosen Drohungen, so derb eingefallen ist.) Bei der Entwicklung zum Individualismus stand die Ökonomie Pate; und es bedarf nur weniger Phantasie, die Implusion „jenes Glaubens“ auf äußerer Werte vorherzusehen, nachdem die letzte Bank ihre Milliarden abgeschrieben hat. Die Auseinandersetzung zwischen Morgenland und Abendland ist so gesehen ein Kampf um eine Differenz von 500 Jahren. Denn die Araber hatten keinen Dreißigjährigen Krieg und sind heute nach unserer Geschichtsschreibung mitten in der Gotik (dazu passt auch Dubai). Daher konnten Sie nie aus einem Ihrer Münder hören, was wir schon seit über 200 Jahren in guten Gymnasien erfahren durften: „Ich bekämpfe deine Meinung, aber ich kämpfe darum, dass du sie sagen darfst“ Voltaire – Was ist Toleranz.
*Safranski ist einer der ganz wichtigen Denker des heutigen Mitteleuropa. Ich habe nie eine schärfere und verständlichere Analyse der heutigen Gesellschaft gelesen, als in seinem Buch „Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch“. (gwm)

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