eine dunkelfarbige Philosophie

In den Garten gehen, sich eingraben, in unteren Labyrinthen sich verlaufen, in Erde sich verrennen. Im Spiel zwischen Scherben und Kiesel das Läuten der großen Kulturen hören. Braune Nächte im dunkelsten Tief. Dort aber ein Stück verkohltes Holz finden, wie dieses:

O Mensch! Gib acht!

Was spricht die tiefe Mitternacht?

Ich schlief, ich schlief-,

aus tiefem Traum bin ich erwacht: –

Die Welt ist tief,

und tiefer als der Tag gedacht.

Tief ist ihr Weh – ,

Lust – tiefer noch als Herzeleid:

Weh spricht: Vergeh!

doch alle Lust will Ewigkeit-,

– will tiefe, tiefe Ewigkeit!“

Nietzsches Bekenntnis, eine Gloriole, die uns durch den Erdenweg leuchtet. „Lass die dunklen Männer schrein, drunten sei die Hölle“ tatsächlich ist drunten die Quelle – auch wieder Nietzsche, drunten ist die Tiefe, die Quelle, die Qual,die schmerzliche Erkenntnis. Drunten ist immer die Dunkelheit. Die dunklen Männer, die Priester, sie schreien heute nicht mehr von der Kanzel. Sie haben die gleichen Bierbäuche wie ihre Lämmer, und den gleichen einfältigen Wortschatz. Sie liegen aufgereiht an den selben Manipulationsmaschinen, vor den gleichen verdummenden Shows, abend für abend, und reden das gleiche dumme Zeug wie einst die Waschweiber. Die wahren dunklen Männer, die wahren Priester, das sind die wenigen Asketen, die sich der Manipulation entziehen können, und dann „Gefahr“ predigen. Die Priester sind heute in der Regel ohne Religion, sie fordern ihrer Subjektivität zu folgen.

Oh, wie haben Nietzsche und Schopenhauer sich über Hegel ausgelassen. Für einen unbedarften Leser klingt das heute noch, als ob man über einen Vollidioten den Stab bricht. Der Schwabe Hegel soll einmal bei einer seiner philosophischen Vorträge seinen Weltgeist bezeichnet haben, mit „Etwas“, „das ist Etwas“, wobei ihm das schwäbische „Ebbes..“ untergerutscht ist. Dies der Grund also, warum Hegel aus unserem Labyrinth ausgemustert wurde. Aber er ist immer noch anwesend. Denn endlich finde ich im Labyrinth ein Stück Papier, auch angekohlt, dänisch,img_0007.jpg „Der Begriff der Angst“. Sören Kiergegaard offenbart sich mit leisen Sätzen. Gegen Hegels „Ich gehe in mich und verliere damit die Welt – ich gehe in die Welt und verliere mich selbst“ und deren Konstruktion der Modernen Weltengemeinschaft mit ihrer unbedingten Fortschrittsgläubigkeit, erklärt Kiergegaard „Es gibt kein allgemein Verbindliches, das dem Menschen aufgegeben ist.“ Deshalb verwirklicht der Einzelne nichts, was nicht der eigenen Erfüllung dient.“ Das „souveräne Selbstbestimmung“, „Selbstseinwollen“ werden nun erhellende fast „wärmende“ Begriffe in der Dunkelheit eines fortschrittsgläubigen „Maschinenkosmos“, der das Individuum opfert für den Hegelschen Weltgeist. Was wir am „Kommunismus östlicher Prägung“ genauso gut studieren konnten wie am momentanen Raubtierkapitalismus, wo sich der Einzelne den Kapitalbräuchen unbekannten Geldgeber zu unterwerfen hat. Hier also ein Lichtpfad im Labyrinth rechter Hand, Kierkegaard. „Sieh zu, deine ganz persönliche Bestimmtheit zu finden“, scheine ich herausgehört zu haben. Und halte in der Hand diesen Kierkegaard, diesen nach dem lebendigen „Kristos“ Suchenden, der den Gottesdienst der Kirche als eine „Verulkung Gottes“ bezeichnete.

In dieser nun leicht abgehobenen Dunkelheit in meinem Labyrinth fällt mir linkshändig der Weg unter die Pyramiden auf. Ein Symbol, das ich seit einigen Jahren aufgehängt habe über meinem Arbeitstisch, und irrtümlich für ein orthodoxes Kreuz hielt, das einer Formvariation unterlag. Falsch gedacht. Es ist dasimg_0006.jpg erste Kreuzsymbol das es in einer hochentwickelten Kultur gab. Wir finden es im Grab von Ramses I ebenso wie bei Sethos I. sowie bei Merenptah oder den Gräbern in Theben. Eine ganz herausragende Prägnanz findet dieses Zeichen, das als eine der wichtigsten Hieroglyphen des Altägyptischen gilt, im Grab von Amenophis II (also rund 2300 v.Chr, und damit fast 2000 Jahre vor der hebräischen Kultur und 2500 Jahre vor der Symbolfindung des Kreuzes durch die Christen). Neue Kulturen sind nicht scharf darauf ihre abstammende Symbolik aus alten und vergangenen Kulturen begründen zu müssen. Ein Grund warum wir kein Kontinuum an Geschichtswissen haben und immer auf große Lücken aufmerksam werden. Was dennoch egal ist, weil wir eh unsere Privatperspektive ins Historische einarbeiten.

Dieses Symbol, das ich hier vorstelle, ich bin sicher, Friedrich Nietzsche der erste „Lebensphilosoph“ hätte sich daran ergötzt, es stellt die Hieroglyphe für „das Leben“ dar, ägyptisch „Anch“, was nahe an „Arche“ liegt, einem anderen bedeutendem semitischen Begriff.

Im oberen Segment erfolgte eine Öffnung, und das ist meine bisher noch nicht überprüfte Feststellung, hier nimmt das „Ei“ den Platz für Leben ein. Den Königen wird auf den Strichzeichnungen der Sargkammern durch die einzelnen Götter das „Anch“ an die Nase gehalten, dort soll das neue Leben in ihre Seele eindringen. Dabei berührt die Gottheit den König mit der anderen Hand. Die Gottheiten sind Osiris, Anubis, Hathor und der Sonnengott Re.

So also verhält es sich mit der Grabkunst und dem Totenkult der ägyptischen Herrscher. Der Tot ist also nur um des Lebens willen, der Metamorphose wegen da.

Hierhin habe ich mich also verirrt, in der linken das Totenbuch der Ägypter und in der rechten die „Angst aus Unbestimmtheit“, suchend, grabend, und vielleicht wieder auftauchend aus diesem Erdreich. „Oh Mensch gib acht! Was spricht die tiefe Mitternacht…“, die Nachtsonne der Ägypter, Hathor, Re, und mit dem König in einer Sonnenbarke fahren zur dritten Nachtstunde zum Sandreich des Sokar, wo sich spät um die letzte Nachtstunde jene riesige Schlange in ihrer Verjüngung zur Sonne vollzieht.

Eine dunkelfarbige Philosphie soll das sein, erdig, tief, unerforschlich, gläubig, und doch mit einem scharfen Messer in der Hand.

Ägypten hat doch etwas mit Kierkegaard zu tun, dort war „Bestimmtheit“, unmissverständlich.

(gwm)

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