an einen Midifreund

Lieber Herr Hachmann,
sicher haben Sie recht, dass mein Technikverständnis 20 Jahre in Sachen Midi hinterherhinkt.
Jedoch ist die Qualität der Technik nicht mein Kritikpunkt.
Ich empfehle jedem jungen und an der Musik begeisterten Menschen zuerst einmal ein Instrument spielen zu lernen und sich dann mit sekundären Techniken zu beschäftigen.
Vielleicht hat die Miditechnik einen Sinn in der Überprüfung des Lernerfolgs. Wer weiß aber auch, ob dieser massive Filter „Technik“ nicht den Zugang zum Instrument verwehrt, weil mit raschen Vorführeffekten gereizt wird?
Meine Erfahrung der letzten Jahrzehnte ist, schöpferischer Umgang mit Digitaltechnik ist extrem begrenzt.
Technisch gesehen ist es auch so, dass die Miditechnik, im günstigsten Fall, ein Byte für die Dauer einer Note bereitstellt, also 256 Zeitwerte, während es in natura eine unendliche Bandbreite ist.
Wir vergröbern mit der Digitaltechnik unsere wahrnehmbare Welt sowohl optisch als auch akustisch. Und das empfinde ich zunächst einmal als Verarmung. (Dass wir heute viel bessere Fotos haben als vor zwanzig Jahren führt ja auch zu den Mängeln der oberflächlichen Bildwahrnehmung, der Bildflut, der Übersättigung usw., und letztendlich der Veränderung der Welt in ein Farbschema, das der Natur nicht entspricht)
In den Sinnen, wodurch der Mensch die höchsten Emotionen erfahren kann, durch den Geruchssinn und den Tastsinn, hat die Digitaltechnik jedoch keinen Zugang gefunden. Hier sind schon die ersten Ansätze sowas von plump.
Stellen Sie sich ein Konzert vor, bei der ein bekannter Organist, der 6-8 Stunden täglich übt, über eine Midisteuerung ein aufgenommenes Werk vorspielen lässt. Nach dem Konzert kommt ein Midi-Freak auf ihn zu und sagt: “ Hab gleich gehört, Sie haben Cubase 8.124 verwendet, da ist dieser und jener Effekt noch nicht implementiert. Sie hätten das Update auf 8.128 nehmen müssen, das kommt besser rüber.“
Über die Technik schafft sich halt der völlige Kulturbanause Zugang in die heiligen Hallen der hohen Kunst. Oder meint es zumindest. So wie im Schach heute jeder Anfänger via Computer dem Weltmeister meint Ratschläge geben zu können. Nur allein am Brett wird er eben wieder auf sein Anfängermaß reduziert.
Der Technik-Nutzer humpelt Tag und Nacht den Updates hinterher. Und das sind Dinge, die er grundsätzlich nicht gestalten kann. Das ist Konsum in Reinform. Während der Musiker an sich selbst arbeitet, also eine Selbstwerdung und Selbstfindung betreibt.
Daher mein Credo: Werdet Musiker, Künstler, Maler, Dichter – und wenn es sein muss, benutzt auch Technik dazu. Notwendig ist sie letztendlich nicht.
Mit besten Grüßen,
gwm

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