Ungefähre Landschaft

Seit dreißig Jahren genau beschäftige ich mich mit Computer -Spiel, -Bild,-Musik, -Textgestaltungen. Unter anderem mit den Möglichkeiten Gesamtkunstwerke erfahren oder gestalten zu können.
Der virtuelle Rahmen, den der Computer bereit stellt um »Schein« erfahren zu können ist riesengroß, wäre unbegrenzt gigantisch, wenn nicht die Maschine immer wieder durchschimmern würde.
Das Malen auf dem Computer zum Beispiel wird zur Zirkusnummer, wenn man über versehentlich betätigte Funktionstasten die »Pinseleinstellungen« durcheinanderwirft. Ähnliches geschieht bei digitalen Musikaufnahmen oder Videoeinstellungen. Das kreative Spontanerlebnis wird in solchen Fällen durch die Maschine und seiner Befehlsstruktur lahmgelegt.
Wer immer wieder neu auf den Computer zugeht erfährt aber mit Kinderaugen und Ohren Initiationserlebnisse, die bereichernd sind, wenn der Gestaltungsprozess im Vordergrund steht und nicht der Weg des Konsumierens.
Wirken und Gestalten, das ausschließlich über die Transformation via Computer festgehalten und weitergegeben wird, ist blutleer, ein rauschendes Fest in Fakten und Zahlen.
Während die Materialfarbe, der natürlich angestimmte Ton, das gesprochene Wort, die mit Haut und Organen wahrgenommene Welt erst ästhetisch grundsätzliche Gefühle ermöglichen.
Wir verlernen immer mehr Verständnis für unsere Mitmenschen aufzubringen, weil wir über die verschiedenen Kisten, die uns all die Medienportale zur Verfügung stellen, zur Oberflächlichkeit hingeführt werden.
Hundertfünfundzwanzigtausend Tote in einer Fünfminutenmeldung geht uns kaum unter die Haut, ähnlich einem Drohnenjunkie in Texas, der just 25 Pakistanis über den Haufen geschoßen hat, dem keine seelische Belastung für die Bedeutung seiner Tat angedeiht. Geschweige, dass in solch einem Fall Unrechtsbewußtsein greift.
Ich möchte das alles nicht tiefergehend moralisieren, sondern darauf hinweisen, dass wir uns der Distanz zum Computer bewusst sind und uns leicht aus der Verantwortung schleichen können – sowohl ethisch wie ästhetisch.
Ein Übel ist es, wenn ältere Menschen, die auf hervorragende Leistungen in ihrem Leben hinweisen können, beginnen, sich für den Computer zu interessieren.
Im hohen Alter, wo sie die Reife haben aus ihrem Leben zu schöpfen, werden sie so zu täppischen Affen, denen der Urenkel erklären soll, mit welchem Kommando die Grußkarte an Tante Vanessa ausgedruckt werden muss.
Hier wird der Computer zum quälenden Dämon der standhaft verhindert, dass Einer zu sich selbst kommen kann.
Die Radikallösung, die immer wieder von linken und rechten Intellektuellen gepredigt wird, auf all diesen Pseudofortschritt zu verzichten, hat ihre Berechtigung da, wo klare Zwecke und Ziele angestrebt werden. Aber: Ein Wissender braucht keine Ratschläge. Der Unwissende braucht sie. Und der wird von dieser Radikalität eher verunsichert.
Die Kinder, die mit dieser Maschine aufwachsen, welche unheimlich starke Emotionen auslösen kann, mit all ihren sinnigen- eher unsinnigen Spielen, sind die eigentlich Leidtragenden dieser technischen Entwicklung. Weil sie zu einem unbedingten Konsumverhalten hingetrieben werden, was natürlich Programm ist.
Gegen den Markt anzureden, das ist bei uns heutzutage das größte Verbrechen.
Nicht die paar geilen Hanswürste, die sich Bilder von nackten Kindern herunterladen vergehen sich, sondern das Militär in USA und Europa sowie die Waffenindustrie, die solche Spiele finanzieren, um den ständigen Krieg in der Bevölkerung präsent zu halten.
Sie treiben zielgerichtet junge Generationen vor sich her in die Konsum- und Gewaltbereitschaft, in verantwortungsloser Weise. Man muss es deutlich machen, dass unsere Rechtsprechung und die unterschiedlichen Formen von Realität sehr weit auseinander gehen können.
Nur Ästhet sein, der dem Computer ein Chance gibt, gilt nicht. Jeder wird leicht erkennen, welches Problem im Hintergrund lauert.
gewalcker@t-online.de

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