David Friedrich Precht und kein Egoist sein

Wer „religionsbefreit“ sein Leben einrichten möchte, hat schon erhebliche Probleme Begründungen für Moral, Kooperation, Sinn, letzten Endes alle Formen des uns bekannten sozialen Zusammenlebens zu finden.
David Richard Precht, der einen Besteller nach dem anderen landet, die allesamt ausschliesslich „Begründungen für solcherlei soziales Verhalten ohne Religion“ darstellen, und in denen Schimpansen für Moral in der Natur herhalten müssen, macht es sich nicht einfach in „Die Kunst kein Egoist zu sein“.
Was stört an dem Buch ist, wie schon im vorigen Buch „Liebe ein unordentliches Gefühl“, das ich beim besten Willen nicht bis zum Ende lesen konnte, dass sehr weit ausgeholt wird, um einfache Thesen zu unterminieren.
Ich finde seine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung nach Darwin (Sozialdarwinismus) bis zum I.WK hervorragend. Es leuchtet ein, dass bei dieser verschärften Gangart des Darwinismus, der einpeitschenden Lehrkörper, die Darwins Evolutionstheorie „alle gegen alle“ überspitzten, um an allen möglichen Universitäten von England bis Deutschland die Aufheizung des Kriegsklimas begünstigten.
Vergessen wir auch nicht, dass aus diesem Darwinismus heraus der Rassismus der Nazis später seine Wurzeln gefunden hat. Wer sich die Mühe macht, all diese grauenhafte Denkgebäude von Haeckel und Co (Monismus), das vor dem I.WK die deutschen Bildungsbürgerstuben bereichterte, zu untersuchen, der weiß, das Wissenschaft und daran angehängte Philosophien der Menschheit nicht nur Ästhetik und Freude beschert haben.
Dass aber am Ende Schimpansen als Zeugen herhalten müssen, um „Moral in der Natur“ zu finden,, jetzt sind wir wieder bei Precht, das ist schon eine abwegige Philosophie, die auch an der heutigen Zeit keine Monolithen mehr errichtet. Denn die heutige Zeit leidet nicht am „Wissen“ sondern am „Glauben“. Wobei vollkommen wurscht ist, an welches Heil man glaubt, wenn es nur dem Blochschen „Prinzip Hofffnung“ nahe kommt.
Der Titel des Prechtbuches zeigt schon deutlich, wohin die Reise gehen soll: keine Reibung bitte. Die Horde ist die Urzelle, nicht die Herde, das klänge schon wieder etwas böse, sagt Kuh und Ochs zu Frau und Mann. Also der aufs plemplem-TV ausgerichtete Intellekt, der us-amerikanische Sitten gewohnt ist, wo man auch BlahBlah immer noch in schöngetunkten Martinikirschen ausspricht, der ist so richtig Prechts Mandant. Dem kann er die volle Überzeugungskraft offenbaren.
Die Auffassung Prechts, dass der Philosoph heutzutage intensiv in die Wissenschaften Einblicke nehmen muss, um noch philosophisch tätig sein zu können, kann man nur am Rande Recht geben. Nämlich dann, wenn die Philosophie sich anschickt aus den Synthesen der verschiedenen Wissenschaften Schlüsse zu ziehen, die auf mögliche zukünftige Probleme der Menschheit hindeuten. Und diese Probleme deswegen auftreten, weil Wissenschaften (nehmen wir einfach Sozialwissenschaften und den Klimawandel) zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Hier kann unverbildete Philosophie vielleicht Lösungen anbieten.
Das, was ich allerdings jetzt von Precht kennengelernt habe ist: hervorragende, sehr gut gemachte einfache Darstellung philosophischer Problematik, gute Geschichtsdeutung, fragwürdige Lösungsansätze deswegen, weil der Mann einfach glatt und klar die Auffassungen der Neurologen, Hirnforscher und Schwarmverhaltensmenschen übernimmt.
Philosophie allerdings, die meint ohne Metaphysik auskommen zu können, die eine Darstellung wagt, als haben wir nur Fragen zu lösen wie im bequemen Sessel einer Talkshow, die garnicht erst zum eigenständigen Nachdenken auffordert, eine solche Philosophie brauchen wir nicht. Die ist schneller verraucht, als der gestrige Tag.

gewalcker@t-online.de
in Rom

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