Wikipedia – das schlechteste Wissen,

das es je gab.

Wie ist das mit der Wahrheit, habe ich mich gefragt, beim Studium des letzten Wikipedia-Artikels, der über Walcker derartig Abstruses und offensichtlich Falsches an den Mann zu bringen versucht? Wer hat überhaupt Interesse an der Hervorbringung solches Wikipedia-Blödsinns?
Nach den Regeln und Vorstellungen der Gründer dieser Wissensplattform soll Wahrheit aus einem gemeinsamen Dialog heraus gestaltet werden, der gewissermaßen immer irgendwie im Fluss ist. Das ist sehr schön gedacht, durchaus auch zeittypisch,, zielt aber an dem einen wichtigen Umstand vorbei, dass gerade heutzutage jede Laus, die irgendeinen Krümmel für wichtig und bedeutsam hält, uns mit ihrem Vortrag vom Wesentlichen der Sache ablenken kann, weil wir ja wähnen, alle Informationen müssen reingezogen werden, koste es was es wolle. Es ist sogar so, dass ganz planmäßig ein Heer von Läusen unterwegs ist und ähnlich den Hackern und Crackern, Unwichtiges voranstellt, um Hass oder Eitelkeiten zu befrieden. Oft soll ein Professor gelobt werden, damit es gute Noten gibt, oder man bücklingt vor irgendetwas Zweit-und Drittrangigem, das einem im Beruf weiterhelfen könnte („übrigens, ich hab Sie ausführlich im Wikipedia-Artikel erwähnt..“). Damit fließt dann das ganze Leben der kleinen Alltags-Korruptionen ein ins „Bewußtheit der West-Menscheit“, das oft hochgelobt, dann kläglich versagt, wenn man es aus seiner Fachsparte heraus etwas genauer unter die Lupe nimmt.
Hintan gestellt werden dann die Dinge, die der gemeinen Laus deswegen zuwider sind, weil sie den geistigen Kraftakt scheut, intensiv über diese oder jene kulturelle Bedeutung nachzudenken. Das wäre dann doch zuviel, auch noch über die Fakten nachdenken, die man über copy und paste mühsam herangeschleppt hat.
Am Schlimmsten noch ist es, wenn verhinderte Forschernaturen sich einen zu großen Gegenstand in ihre kleine Stube gezerrt haben und sich nun daran verbeißen, weil „der Ruf nach etwas Bedeutung“ sie zwackt und zwickt. Dann kommen „Walcker-Wikipedias“ dabei heraus, wo die unmittelbar nächst gelegene Orgel der zentrale Diskussionstoff ist, auch wenn keinerlei Gründe dafür sprechen, dass sie irgendeine Bedeutung für das Schaffen der Firma gehabt hat. Oft will man auch dem restaurierenden Orgelbauer eine Gefälligkeit erweisen. Der kleine Stachel der Machtlosen.
Wer die in Kisten eingemottete „Gelsenkirchen-Orgel“ als die größte existierende Oscar-Walcker-Orgel bezeichnet, lügt in mehrfacher Hinsicht. Erstens ist eine in Kisten verpackte Orgel kein spielbares Instrument über das man derartige Aussagen machen kann, zweitens gibt es Stockholm und Barcelona und drittens ist Bukarest als spielbares Instrument Oscar Walckers bedeutender als irgendetwas in Kisten eingemachtes, das womöglich nie erklingen wird, und viertens sind die Taschenladen der originalen OW-Orgel in Gelsenkirchen gegen Schleifladen getauscht. Nur der Klang wurde unter Denkmalschutz gestellt.
Außerdem, und das ist das Wichtigste, wird hierbei eine tote Leiche über einen lebendigen Vorgang gestellt, der die weiteren Motive, nämlich dem Toten höchste Prioritäten zuzuerkennen, offenbart, während man alles Lebendige unter den Generalverdacht stellt, womöglich Widerspruch zu erheben, weswegen man es erst gar nicht erwähnt.
Das ist übrigens typische Organolenpraxis: wieviel vertrockneter Totenkult wurde in den vergangenen fünfzig Jahren im ARS ORGANI aufbereitet und mit Weihrauchdämpfen aufs Orgelvolk geschüttet, so dass man sich nicht wundert über unsere heutige Jugend, die Orgel direkt mit Verwesung assoziiert. (als wissbegieriger Europäer, dem es ermöglicht wurde den ägyptischen Totenkult etwas studieren zu können, kann ich nur sagen, dass wir in Bezug zu den Ägyptern mit unserem Christentum, das mit Sicherheit in Rom den Glanzpunkt aller Totenkulte erstritten hat, weit vorraus sind in der Bevorzugung des Todes vor dem Leben. Man denke nur an die tausenden von Selbstmorden während der Nazizeit in Deutschland auf seiten des Militärs und der verantwortlichen Nazis, die doch der Meinung waren, gerade von der Lebensphilosophie Nietzsches partizipiert zu haben. Und doch war der ganze europäische Faschismus eine Blut-Boden-Totenkult Attitüde.) (apropos Christentum: welches Christentum sei da gemeint, frage ich immer wieder, das Frühchristentum oder die ersten christlichen römischen Kaiser, das Karls des Großen oder der Kreuzfahrer, das der Gotiker, der Scholastiker, der Reformation Luthers oder das der Christen vor der Reichsgründung – und nun der heutigen Christen, die alle je nach Konfession für den mittelalterlichen Menschen eine völlig eigene Religionsform darstellen würden. Also was ist die Wahrheit?)
Man kann, um das Thema „Wikipedia“ abzuschließen, solches Halbwissen als durchaus zeitgemäße Erscheinung apostrophieren. Man sehe nur das J&B Forum mit seiner am unwesentlichem Detail festgefressener Verbiesterung durch, oder „organ“, die Zeitschrift, in der Fachliches über Orgel in einem fragmentarischen Comedystyle wieder gegeben wird, wobei man nicht weiß ob zur Belustigung oder aus tatsächlicher Ahnungslosigkeit. Wobei man sich eben klar sein soll, dass „Gespräche über Orgel“ doch immer irgendwie beim heutigen Publikum unter Verdacht stehen, als „flöge Einer übers Kuckucksnest“.
Ich habe in den vergangenen Wochen intensiven Kontakt zu einem Orgelforscher ganz anderen Kalibers gehabt, der seit Jahren an einer hochinteressante Arbeit über Eberhard Friedrich Walcker arbeitet. Hier sprüht das Lebendige des alten Meisters über den Forscher wie ein Feuerwerk empor in eine geistige Atmosphäre, die lichtbringende Wahrheit sein kann.Tief ins Leben dieses Meisters Einblicke zu nehmen wird bei Deutung solcher Forscher unmittelbar erfahrbar, jedes Detail wird mehrfach und anhand unterschiedlichen Quellen analysiert und verglichen, bevor es je das Licht der Dokumentierung erblickt. Solcherlei Forscher sind großartig mit dem Leben des Meister verwoben und das Erarbeiten eines Gesamtzusammenhanges wird intentional erfasst. Aber es wird dabei auch gefühlt, dass das eine und das andere Extrem sehr nahe beieinander liegen.
Man kann nur sicher sein auf der richtigen Seite, nämlich der des Lebens zu liegen, wenn man die eigene Person so ins Geschehen einbringen kann, indem ein grundlegendes Gefühl von Wahrsein eintritt. Das ist etwas, das nicht näher beschrieben werden kann, weil es bei jedem Menschen eine andere Wirkung hervorruft und vor allem bei jedem Individuum mit anderen Begriffen gesegnet ist. Ein Orgelkonzert ist immer näher am Leben als eine OrgelCD. Der unmittelbare Austausch im Gespräch mit einem Menschen ist immer näher dran als eine Email, SMS oder eine Abhandlung die abstrakt und im luftleeren Raum entstanden ist .
Die Erregung der Sinne über Fühlen, Riechen und dann in Verbindung mit Hören und Sehen ist jeder einseitigen Sinnerfahrung weit überlegen, weil der gesamte Mensch, wie in einem Kosmos eingebettet, beansprucht und erfüllt wird, während das einseitige Hören oder Sehen einer Digitalaufnahme mängelbehaftetes Erfahren ist. Da werden noch Generationen ins Land gehen, bevor man dieser Wahrheit auf die Schliche kommt, weil hier, in der digitalien Welt, manifestiert sich der künstlerische Schein rasch als Betrug (im Sinne von Wahrheit erfahren)

(gewalcker@t-online.de)

apropos gute und ehrliche Handarbeit bei vielen Wikipedia-Artikel werden hier überhaupt nicht kritisiert, sondern sehr geschätzt. Was hier kritisiert wird ist gewissermaßen ein Vergleich der Situation vor 120 Jahren, als man die besten Lexika für die besten Köpfe der Welt hatte, während heute das Niveau breit getreten ist und die breite Masse zweifellos tausend mal gebildeter ist als es jeder noch so gescheite Bauernlümmel vor hundert Jahren war. Aber die Spitzenlexika fehlen oder sind nur noch spezifiziert zu haben.

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